Koudelka
Akt 4 - Der Dichter und die Wirklichkeit
Nach einiger Zeit kommen die Gefährten in einen langen dunklen Korridor. Das Mondlicht scheint durch die verfallenen Fenster und taucht den Korridor in ein unheimliches Licht.
Nachdenklich bleiben sie an einem Fenster stehen.
JAMES: Was für ein dunkles und deprimierendes Gebäude. Trotz der Kathedrale fühle ich nicht die Gegenwart des Herrn. Was trieb mich nur, mich hierher
zu begeben.
EDWARD: Man geht dahin woher man einst gekommen ist. Man wird zum Nichts in seinem Glück. Weil Tod mit gleichen Maßen ist.
JAMES: Lord Byron, nicht wahr? Ich zähle nicht zu seinen Bewunderern. Seine Lyrik ist zu unkultiviert.
EDWARD: Und wer gibt Ihnen das Recht den Wert seiner Gedichte zu beurteilen?
JAMES: Die Dichtkunst sollte Gläubige und alle Menschen in ihrer tiefsten Seele berühren. Sie sollte eine Quelle der Inspiration sein. Wie bei
Alexander Pope und George Herbert.
KOUDELKA: Mir wäre jeder Recht der die bösen Geister zu vertreiben hilft. Sogar der Sohn eines Zimmermanns den sie so verehren.
JAMES: Blasphemisch Heidin!
KOUDELKA: Ha, ha, ha.
JAMES: Wie können Sie es wagen sich so zu versündigen!
KOUDELKA: Es ist lächerlich Hilfe von jemandem zu erbitten den man nicht einmal kennt, und das in einer Zeit wo in London Tag für Tag Menschen
verhungern!
JAMES: Vermutlich heruntergekommene ungläubige Sünder die den Tod verdient haben!
Plötzlich peitschen Schüsse durch das Fenster in den Raum. Die 3 ducken sich und James schleicht zum Fenster.
EDWARD: Für mich klingt das nicht gerade nach Dämonen.
KOUDELKA: Das kam von dem Gebäude dort drüben.
EDWARD: Das Gift hat uns nicht getötet. Jetzt versuchen sies auf die harte Tour.
JAMES: So ein Unsinn.
EDWARD: Ach ja? Die Kugeln sprechen eine andere Sprache.
Edward und James erheben sich wutentbrannt vor dem Fenster und wollen aufeinander losgehen.
KOUDELKA: Seid ihr verrückt?
Durch Koudelkas Stimme kommen die beiden wieder zur Vernunft. Sie ducken sich wieder und warten auf weitere Schüsse. Nachdem ein paar Minuten vergangen sind in denen keine weiteren
Schüsse folgen, verlassen sie den Korridor durch die nächstgelegene Tür wieder.
Akt 5 - Übersinnliche Aktivitäten
Nach einem weiterem Kampf, diesmal gegen drei Augen, und der Erforschung weiterer Räume kommen sie in einem kleinen Raum. Er sieht wie ein ehemaliges Schlafzimmer aus, denn er ist
eingerichtet mit einem alten, heruntergekommenen Bett, einem kleinen Nachtschränkchen, einem Schrank und einer verschlossenen Truhe. Sie halten inne um sich etwas genauer
umzusehen.
JAMES: Du lieber Himmel. Dieses Gebäude ist voller Leichen und Skelette.
KOUDELKA: Es ist voller Geister und verzweifelter Seelen. Ah... ich spüre sie. Oh mein Kopf.
In diesem Moment wird Koudelka von schweren Schmerzen geplagt und muss sich auf das Bett setzen was in diesem Raum steht.
EDWARD: Hm, ich habe kein gutes Gefühl.
JAMES: Wie schrecklich. Allmächtiger Gott, bitte hilf diesen armen Seelen.
KOUDELKA: Vor langer Zeit muss hier grauenvolles passiert sein. Ah... ich spüre eine starke Kraft... Ich werde versuchen die Geister durch mich
sprechen zu lassen. Vielleicht finde ich heraus was hier geschehen ist.
EDWARD: Die Geister sprechen lassen?
JAMES: So ein Unfug! Wir sollten lieber für ihre Seelen beten.
KOUDELKA: Die Geister in diesem Raum... Ich werde ihr Medium sein damit sie sprechen können... Ich kam hierher weil ich den Hilfeschrei einer Frau
gehört habe. Sie war...
JAMES: Das lasse ich nicht zu! Eine ungläubige Gotteslästerin die die Seelen der Toten stören will!
KOUDELKA: Seien Sie still! Sparen Sie sich Ihre Predigten! Ah... ah... Ketten... totale Finsternis... oh... oh... Tod... oh... oh nein... ah, es waren
so... schrecklich viele. Dies... ist... die Hölle. Ah, ah.
EDWARD: Was sagst du da?
KOUDELKA: Ah... sie wurden... eingekerkert. Und... gefoltert. Und... ah.... tausende von ihnen... ah...
Plötzlich erhebt sich Koudelka und beginnt mit einer fremden Stimme zu sprechen. Ein Geist hat von ihr Besitz erfasst.
KOUDELKA: Tötet sie! Sie haben mir die Finger abgehakt, meine Beine zerschmettert, meinen Schädel zertrümmert und mich ausgeweidet. Sie haben mir
alles genommen, mich in ein dunkles Loch gesperrt und meinen Körper zerstückelt. Ah... Meine Augen, meine Augen... sie haben mich geblendet... Hilfe... ah... Hilfe! Ah... ah... ah...
ah...
Nachdem der fremde Geist Koudelka verlassen hat sinkt sie schwer atmend auf dem Bett nieder und spricht wieder mit ihrer normalen Stimme weiter.
KOUDELKA: Es ist grauenvoll. Diese Anlage... war ein Gefängnis... das hunderte Jahre lang geheim gehalten wurde. Wer sich mit den Herrschenden
anlegte... oder irgendwie auffällig wurde, wurde hier eingesperrt und... ermordet.
Edward kniet sich zu Koudelka herunter um festzustellen ob alles okay ist. In diesem Augenblick nimmt der Geist wieder von Koudelka Besitz und sie erhebt sich
wütend.
KOUDELKA: Nein, fasst mich nicht an! Verschwindet! Fahrt zur Hölle!
Danach sinkt Koudelka vor Schmerzen zu Boden und der Geist verlässt sie endgültig. Nachdem sie sich wieder erholt hat untersuchen sie den Raum weiter. Als sie den Schrank öffnen
greift sie plötzlich eine Mumie an die in dem Schrank verborgen war. Nachdem sie siegreich aus dem Kampf hervorgegangen sind, finden sie noch eine Strickleiter. Danach begeben sie sich wieder aus
dem Raum.
Gerade als sie Tür wieder hinter sich schließen sehen sie ein kleines Kind, dass in einem blütenweißen Kleid herumspaziert. Edward gibt sich einen Ruck und geht auf das Kind zu. Es läuft schnell um die Ecke doch er folgt dem Kind.
EDWARD: Hey! Hey, warte bitte. Hey.
Auf einmal packt Koudelka Edward am Arm und hindert ihm am weiterlaufen.
KOUDELKA: Edward!
Edward bemerkt das er kurz vor einem tiefem Abgrund steht und beinahe heruntergefallen wäre. In dem Abgrund sieht er nun das kleine Mädchen das sich zu ihm aufblickt und
spricht.
MÄDCHEN: Ich wünsch euch allen den Tod. Ihr solltet hier abstürzen und sterben. Ha, ha, ha, ha...
Darauf löst sich das Mädchen in Luft auf. Die 3 stehen fassungslos vor dem Abgrund.
JAMES: Ein Geist?
EDWARD: Ja...
Daraufhin benutzen sie die Strickleiter die sie kurz zuvor gefunden haben und begeben sich durch das Loch im Boden eine Etage tiefer.
Akt 6 - Vielleicht doch das Hausmeisterpaar?
Ihr Weg führt sie nach einer Weile in die ehemaligen Priestergemächer. Nachdem sie diese Räume von der Gegenwart des Bösen gereinigt haben und einen Weihwasserbrunnen entdeckt haben
machen sie eine kurze Pause. Über dem Weihwasserbrunnen befindet sich ein Glasfenster. Es ist ein Kirchenfenster und stellt einen alten Märtyrer dar, der auf einem Scheiterhaufen verbrannt worden
ist. Edward beginnt leise zu seufzen als die 3 sich das Fenster genauer ansehen.
EDWARD: Habt ihr all die Leichen gesehen? Als ob ein ganzes Dorf ausgerottet wurde.
JAMES: Sie müssen seit hunderten von Jahren hier liegen. Wovon sie wohl erzählen könnten.
KOUDELKA: Ich habe ein paar ziemlich frische gesehen. Einer wurde erschossen. Einem wurde der Kopf mit einer Axt gespalten. Und dann wieder andere
ohne sichtbare Verletzungen. Sie müssen vergiftet wurden sein.
EDWARD: Ich schätze die neuen waren Glücksritter wie wir. Das alte Ehepaar muss irgendetwas damit...
JAMES: Wollen Sie etwa behaupten die Alten hätten alle auf dem Gewissen? Unsinn!
KOUDELKA: Unsinn? Und all die Toten?
JAMES: Das waren sicher alles Betrüger und Diebe. Dies ist immer noch ein Kloster, ein Gotteshaus. Ob Kerker oder nicht, was ficht es mich an warum
all dieses Gesindel getötet wurde?
EDWARD: Wie können Sie so etwas nur sagen? Ziemt sich das für einen Priester?
JAMES: Ich bin kein Priester. Ich bin Bischof.
EDWARD: Wen zum Teufel interessiert es was sie sind? Ich behaupte ja nicht das das alle Heilige waren, ja? Aber haben sie deshalb den Tod
verdient?
JAMES: Sie kennen das alte Ehepaar. Sie sind so nett und hilfsbereit. Sehen so Mörder aus?
EDWARD: Ha! Hilfsbereit?
JAMES: Genau.
EDWARD: Überlegen Sie doch mal! Warum lassen sie alles so verkommen?
JAMES: Keine Ahnung.
EDWARD: Würden sie nicht wenigstens die Leichen begraben?
KOUDELKA: Seit still! Ich habe da so ein Gefühl das wir nicht allein sind mit all den Toten und Geistern. Spart euch eure Streitereien... wenn euch
euer Leben lieb ist.
Nachdenklich und niedergeschlagen betrachten sie weiter das Fenster. Auf einmal hat Edward eine Eingebung. Er hält ein kleines Stück rotes Glas, das er zuvor gefunden hatte, vor das
Fenster. Durch die Schattierungen des Bildes das sich durch die Betrachtung mit dem roten Glas ergibt werden 4 Zahlen sichtbar. Koudelka erinnert sich daran das die Truhe in dem Schlafgemach mit
einer Zahlenkombination verschlossen war. Sie beschließen dorthin zurück zu kehren.
Akt 7 - Das Tagebuch des Wärters
Nach einiger Zeit kommen sie wieder in dem Schlafgemach an. Sie gehen zur Truhe und probieren die Zahlen aus. Nachdem sie es geschafft haben das Schloss zu öffnen, finden sie
ein Tagebuch. Neugierig beginnen sie das Tagebuch zu lesen.
1. Juni 1716
Es ist zwei Monate her, seit ich Canterbury verließ was auch an meinem Aufenthalt in St. Claire liegt. Lord Webster hatte gemeint, um diese Jahreszeit würde das Wetter warm sein, aber es
ist immer noch recht frisch in den Fischerdörfern entlang der Küste.
Nachdem ich tagelang in einer Kutsche durchgeschüttelt wurde, bin ich schließlich im Nemeton-Gefängnis angekommen, einem unwirtlichen Ort. Das Gefängnis liegt am Rande einer Unfruchtbaren
Ebene direkt an einem Kliff, über das die eisigen Meereswinde wehen.
Lord Webster bat mich, strikte Geheimhaltung zu bewahren. Ich weiß nicht, was mich in diesem alten, einsamen Gebäude erwartet. Obwohl noch jung, bin ich schon viele Jahre Gefängniswärter.
Dennoch habe ich noch nie einen Knast gesehen, der an solch einem Ort gebaut wurde.
Lord Webster erzählte mir nicht viel über dieses Gefängnis, doch ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Ort manchen Verschwörer und Oppositionellen gesehen hat. Wenn ich nicht müsste,
würde ich nicht hier bleiben. Doch mir bleibt keine andere Wahl. Meine Familie hängt davon ab.
2. Juni 1716
Das Gefängnis Nemeton … die Hölle auf Erden. Die Bedingungen hier sind nicht schlechter als in Newgate, aber auch keinen Deut besser. Ich erschaudere bei dem Gedanken an die unzähligen
armen Seelen, die hier über die Jahrhunderte eingekerkert waren. Menschen aus allen Bevölkerungsschichten wurden hier weggesperrt, von Mitgliedern der Oberschicht, die einer Erbschaft im Wege
standen, bis zu einfachen Friseuren, die für immer über etwas schweigen sollten, das sie bei der Ausführung ihrer Arbeit zufällig mitbekommen hatten. Weggesperrt, gefoltert und
getötet.
Meine Nachforschungen in den Gefängnisunterlagen haben ergeben, dass nur ein paar der hier Inhaftierten jemals wegen eines Verbrechens verurteilt wurden waren.
Das hier ist kein gewöhnliches Gefängnis. Es ist ein Kerker, in dem die Mächtigen die Machtlosen einsperren, ihnen im Weg stehen.
Welch eine Ironie, dass dieser Ort, der einst, als Gotteshaus gebaut wurde, nun zu einem gottverlassenem Gemäuer des Schreckens verkommen ist.
3. Juni 1716
Ich habe etwas entdeckt, das ich kaum glauben kann, weil es schwer zu ertragen ist. Nach den Gefängnisaufzeichnungen wurden von 1632 bis zum letzten Jahr 8200 Menschen hier eingesperrt.
Und das betrifft nicht nur die, von denen es Aufzeichnungen gibt. Nicht auszudenken, wie viele unglückliche Seelen, für die sich niemand interessierte, hier eingesperrt wurden und gestorben
sind.
4. Juni 1716
Heute wurde ich vom Aufseher zur Bewachung der gefangenen im Westflügel eingeteilt. Obwohl dies meine erste Aufgabe seit meiner Ankunft ist, freue ich mich nicht darauf.
Hier geht es nicht darum, einfache Gauner zu bestrafen. Wem könnte es Freude bereiten, Frauen und Kinder zu peinigen?
Ich habe heute aus Southhampton einen Brief von meiner Mutter erhalten. Sie beklagte sich, dass ich nicht bei der Hochzeit meiner Schwester war, die einen Gibbs-Sohn aus einer der
wohlhabenden Familien in der Gegend geheiratet hat. Ich bin mir sicher, das sie glücklich sein wird, wo sie so gut erzogen ist. Es kommt mir so vor, als sei sie erst gestern noch ein kleines
Mädchen gewesen, das seine Puppe fest im Arm hielt. Ich bin schrecklich stolz auf sie. Ich hoffe nur, wir haben sie nicht allzu sehr verwöhnt. Ich wünsche ihr nur das Beste für die Gründung ihrer
eigenen Familie.
5. Juni 1716
Wir haben heute mit der „Befragung“ des Gefangenen mit der Nummer 27 begonnen. Der Aufseher erzählte mir, das die Anweisung von einem Edelmann kam, der der Krone nahe steht. Der Gefangene
muss einst ein gebildeter und wohlsituierter Herr gewesen sein. Er brach zusammen und schrie wie ein Baby, nachdem wir ihm das Eisen in seine Brust gestoßen hatten. Wir wissen, dass er hier nie
mehr herauskommen wird, deshalb müssen wir ihn nicht unversehrt lassen.
Ich bin es gewohnt, für solche Dinge Wasser oder eine Folterbank zu benutzen, um keine Spuren zu hinterlassen, aber hier ist das unnötig. Es geht nicht darum, einen Heiden zu bekehren
oder Reue herbeizuführen. Hier soll die Bestrafung nur unendliches Leid bis zum Tode bewirken.
Arbeit ist Arbeit, aber ich habe schwere Bedenken wegen dem, was wir hier tun. Doch ich will mich nicht mit dem Aufseher anlegen. Genauer gesehen sind wir immer noch Angestellte der
Krone, die dafür bezahlt werden, dass sie anderen Leid zufügen. Was unterscheidet uns von normalen Schwerstverbrechern?
6. Juli 1716
Folterungen sind für mich zur täglichen Routine geworden. An Folterinstrumenten herrscht kein Mangel: Peitschen, Ketten, Eiserne Jungfrauen, Spanische Stiefel, Käfige, Spinnen – sogar
solche, von denen ich vorher noch nie etwas gesehen oder gehört habe. Ich muss gestehen, mich erschreckt die Erfindungsgabe der Menschen, die sich unzählige Methoden ausgedacht haben, um anderen
Menschen leid zuzufügen. Aber wer ist schlimmer? Diejenigen, die sich solche Folterinstrumente ausdenken, oder jene, die sie benutzen?
Alle die wir foltern flehen uns an, sie zu töten. Aber wir lassen sie am Leben, um sie weiter leiden zu lassen. Sie finden keine Ruhe, nicht jetzt und nicht in Ewigkeit.
14. August 1716
Heute erhielt ich einen Brief von meiner Mutter. Sie schreibt, dass mein Bruder eine noble Schule im Osten besuchen will und dafür Geld benötigt. Man stelle sich vor, ein Akademiker in
unserer Familie! Ich frage mich was mein Vater dazu sagen würde. Ich weiß, das Mutter etwas Geld von der Familie meiner Schwester bekommt, aber ich bin mir sicher, dass sie ihre Schwester nicht
immer um Unterstützung bitten will. Ich werde ihr helfen. Ich will soviel ich kann für meine Familie tun.
31. August 1716
Die verrückte Frau in Einzelhaft ist gestorben. Sie wurde wohl unter keinem glücklichen Stern geboren. Als Tochter eines Kaufmanns war sie dem Erben einer reichen Familie versprochen
wurden. Aber dieser änderte seine Meinung und ließ sie fallen. Er heiratete dann die Tochter eines Adeligen und wurde in deren Familie, die keinen Erben hatte, aufgenommen. Unsere Gefangene
brachte man hierher, um sie vor den Leuten zu verbergen. Sie behielt ihr nie getragenes Brautkleid bis zu dem Tag an, an dem sie starb. Ich frage mich, wer verrückter war, sie oder
wir.
26. September 1716
Ein seltsames Gerücht verbreitest sich unter den Gefangenen. Die Anzahl derer, die am Nachthimmel ein Zeichen Gottes gesehen haben wollen, wird immer größer. Keiner der Wächter glaubt
daran, aber solche Gerüchte kündigen oft Unheil an. Ich hoffe, dass nichts passiert.
3. Oktober 1716
Folter, Leid und Tod bestimmen die Tage aller, die hier leben. Ich beginne diejenigen zu beneiden, die gestorben sind. Allmächtiger Gott, vergib mir und rette meine Seele. Ich bin nicht
hierher gekommen, um zum Scharfrichter zu werden.
Ich habe den Aufseher inständig gebeten, wenigstens mit den kranken Mitleid zu habe, aber er hat mich nicht angehört. Im Grunde gibt es nur zwei Dinge, die den Menschen wichtig sind: Geld
und Macht.
13. Oktober 1716
Ich habe das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Ich kann die Schreie der Gefangenen nicht mehr ertragen. Wenn ich es könnte, würde ich ihnen helfen, aber da dies unmöglich ist, möchte ich
keinen Tag länger hier verbringen.
Ginge es nach mir, würde ich sofort gehen, aber meine Familie braucht meine Unterstützung. Außerdem darf ich nicht das Vertrauen von Lord Webster, der mir diese Anstellung besorgt hat,
enttäuschen.
Die anderen Wachen sagen, ich würde mich bald an alles gewöhnen. Ich solle mich nicht über Kleinigkeiten aufregen. Kleinigkeiten! Hören sie denn nicht die Schreie? Jetzt ist mir klar,
dass sie genau so verrückt geworden sind wie die Gefangenen. Mein Schicksal wird sein, ebenfalls den Verstand zu verlieren.
29. Oktober 1716
Weh denen, die des HERRN Tag herbeiwünschen!
Was soll er euch? Denn des HERRN Tag ist Finsternis und nicht Licht, gleichwie wenn jemand vor dem Löwen flieht und ein Bär begegnet ihm und er kommt in ein Haus und lehnt sich mit der
Hand an die Wand, so sticht ihn eine Schlange!
Ja, des HERRN Tag wird finster und nicht licht sein, dunkel und nicht hell.
(Der Prophet Amos, Kapitel 5)
1. November 1716
Ich schreibe dies, nachdem ich mitten in der Nacht von Schüssen geweckt wurde. Durch das ganze Gebäude hallen zornige, aufgebrachte Schreie. Wir werden von einer bewaffneten Bande
angegriffen.
Offenbar war das „Zeichen Gottes“, das die Gemüter der Gefangenen beschäftigte, in Wirklichkeit ein Signal von Leuten außerhalb des Gefängnisses gewesen, die die Befreiung ihrer
eingekerkerten Freunde planten.
Mit blindwütigem Hass töten die befreiten Gefangenen die wachen und anderes Personal. Jetzt, wo sich die Situation umgekehrt hat, laufen die Wachen um ihr Leben. Doch sie werden
eingeholt, niedergeschlagen, getötet, ja sogar bei lebendigem Leibe verbrannt.
Ich spüre ein seltsame Befriedigung, während ich sie beobachte. Sie, die einst so gierig nach macht und Reichtümern waren, werden nun wie Ungeziefer von denen getötet, deren Leben ihnen
keine Pfifferling wert war.
Der Mob wird sicher früher oder später auch hier auftauchen. Auch mich wird die gerechte Strafe Gottes ereilen. Trauere nicht um mich, liebe Schwester. Ich werde sie mit offenen Armen
empfangen als ein Sünder, der mit ihnen gelitten hat.
Sie sind bereits an der Tür... Sie...
Damit endet das Tagebuch. Koudelka steckt es ein und die drei gehen trüben Gedanken nachhängend weiter ihren Weg.